ottokar sprach mit Susanne Thiel, der Landesverbandsvorsitzenden des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie in Sachsen Anhalt.
Was versteht man unter Sprachstörungen?
Man unterscheidet Sprach- und Sprechstörungen. Sprache ist das, was im Gehirn stattfindet. Spracherwerb ist das, was unser Gehirn leistet um Worte zu finden, Wortschatz zu erwerben und diese zu grammatikalisch korrekten und sinnvollen Sätzen zusammenzusetzen. Sprechstörungen betreffen die Artikulation beziehungsweise die Redeflüssigkeit, es geht um motorische Leistungen, wie die Aussprache von Lauten und Lautverbindungen.
Was sind Zeichen für eine Störung?
Sprachauffällig ist ein Kind dann, wenn es sich sprachlich nicht altersgerecht entwickelt hat. Vor dem Sprechen kommt das Verstehen, viele Kinder mit Sprechauffälligkeiten haben eigentlich eine Sprachstörung, deren Ursachen in Störungen der sprachverarbeitenden Prozesse liegen. Das heißt, die Nachricht kommt in den Ohren des Kindes an, kann aber im Gehirn nicht ausreichend verarbeitet werden. So werden oftmals Laute nicht korrekt voneinander unterschieden und dann natürlich auch nicht gesprochen. Wenn ein k klingt wie ein t, wird natürlich immer das t gesprochen (tutte mal, da tommt einer). Oder aber das Kind versteht nur einen Teil der Nachricht, obwohl es alles korrekt hört. Vom Auftrag „Gib mir den grünen Ball“ versteht es nur „Ball“, weiß aber nicht welcher und was es damit machen soll.
Foto: Helene Souza / pixelio.de
Logopädie
Wie kann man feststellen, ob das Kind altersgerecht entwickelt ist?
Der Kinderarzt prüft bei den Vorsorgeuntersuchungen, ob es Auffälligkeiten gibt. Wenn ja, wird eine Sprachstandserhebung durchgeführt, um herauszufinden, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten schon erworben sind und was nicht altersgerecht ist. Altersgerecht entwickelt heißt z.B., dass ein Kind mit dem ersten Geburtstag erste Worte sprechen kann und mit dem zweiten Geburtstag mindestens 50 Worte aktiv verwendet. Bei der Sprachstandserhebung wird entschieden, ob eine Therapie notwendig ist. Prinzipiell gilt: Je früher man mit einer Therapie anfängt, desto besser ist eine Störung behandelbar.
Wie behandelt ein Logopäde die Störungen?
Eine logopädische Sitzung dauert in der Regel 30 – 45 Minuten und findet 1 bis 3 mal wöchentlich statt, je nachdem, was der Arzt verordnet hat. In meiner Praxis kommen die Eltern nach der Arbeit mit dem Kind dazu, um sie über die Therapieinhalte zu informieren. Kind und Eltern bekommen Hausaufgaben, damit Zuhause weiter geübt wird, das ist enorm wichtig für den Therapieerfolg.
Bezahlt die Krankenkasse die Therapie?
Bei einer ärztlichen Verordnung vom Kinder-, HNO- oder Zahnarzt, übernehmen die Krankenkassen die Kosten.
Was können die Eltern tun, um Sprach- und Sprechstörungen vorzubeugen?
Von Anfang an sind Reden, Lesen, Singen, Spielen und Zuhören sehr wichtig. Man kann und sollte alles, was man tut, sprachlich begleiten. Wichtig für den Spracherwerb ist auch der Blickkontakt, denn Kinder sehen bei einigen Lauten, wie sie gebildet werden und verbinden dies mit dem Hören und Fühlen. (kiwi)
Viel Kommunikation hilft viel
Ralf Kitzing, von der AOK Sachsen-Anhalt, gibt Eltern für den Spracherwerb ihrer Kinder folgende Tipps mit auf den Weg:
Eltern sind dazu aufgerufen ihrem Kind viel Gelegenheit zu geben, sich mitzuteilen und sich zu unterhalten - unabhängig davon, wie viel es schon spricht. Macht das Kind Fehler bei der Aussprache oder beim Satzbau, ist es wichtig, das Gesagte in der richtigen Form zu wiederholen, aber nicht das Kind zum Nachsprechen aufzufordern. Wenn das Kind stottert, sollte dies nicht weiter beachtet oder kommentiert werden.
Die sprachliche Entwicklung fördern Eltern auch, indem sie ihr Kind in ihre Tätigkeiten einbeziehen. Eine gute Möglichkeit ist es, das Kind beim Einkaufen oder Kochen Gegenstände benennen zu lassen und kleine Aufträge zu erteilen. Wichtig ist dabei eine klare Sprache mit kurzen, einfachen Sätzen. Das gemeinsame Singen von Kinderliedern eignet sich, ebenfalls um spielerisch die Sprachentwicklung zu fördern.
Beim Spracherwerb sind individuelle Abweichungen normal. Die Inanspruchnahme der kostenfreien, kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen hilft dabei, die Probleme bei der Sprachentwicklung frühzeitig zu erkennen.
Weitere Informationen erhält man beim Arzt, in Logopädiepraxen oder auf den Internetseiten der Deutschen Bundesverbände:
- für LogopädInnen - www.dbl-ev.de
- für SprachtherapeutInnen - www.dbs-ev.de
Bei folgenden Problemen ist ein Arztbesuch sinnvoll:
- Wenn ein Kind im Alter von zwei Jahren weniger als 20 bis 30 Wörter beherrscht.
- Wenn andere Kinder oder Erwachsene ein vier- oder fünfjähriges Kind wegen seiner fehlerhaften Aussprache nicht verstehen.
- Wenn ein Kind mindestens drei Monate anhaltend stottert oder sich so stark wiederholt, dass der Sprachfluss deutlich unterbrochen wird.
- Wenn Eltern sich nicht sicher sind, ob ihr Kind gut hört oder versteht.
Quelle: AOK