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Foto: Kathrin Singer
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Foto: Kathrin Singer
Mit Andreas Reichardt, Leiter des Magdeburger Tierheims, sprachen wir über das Gassi gehen, Tiere als Weihnachtsgeschenk und über Dörte und Fritz.
Es ist ein vernebelter Herbstnachmittag. Vor dem Eingangsbereich des Tierheims haben sich bereits ein paar Stammgäste des Tierheims versammelt, denn gleich ist Ausführzeit. Der Nieselregen schreckt die Hundeliebhaber dabei nicht ab. Auch bei schlechtem Wetter wollen sie den Vierbeinern ein wenig Abwechslung verschaffen. Eifersucht macht sich breit in den einzelnen Hundeboxen: es wird gebellt, geknurrt und neugierig geschnüffelt. Tierheimleiter Andreas Reichardt kommt von einem Außentermin, parkt den Transporter, verstaut ein paar Büchsen Hundefutter und spricht sich mit seinen Kollegen im Hundetrakt ab. Dann hat er Zeit für einen Plausch mit uns.
Er ist froh über die zentrale Lage des Heims, das 1974 als reines Hundeheim eröffnet wurde. Viele Magdeburger kommen regelmäßig vorbei und gehen mit den Vierbeinern spazieren. Die Nachfrage, besonders in den Ferien oder bei Sonnenschein, ist so groß, dass die Mitarbeiter manchmal enttäuschen müssen. Denn das Tierheim will in erster Linie die Tiere möglichst schnell wieder vermitteln und dafür müssen sie zu den Öffnungszeiten auch da sein. Nicht nur Katzen und Hunde verbringen über das Jahr einige Zeit im Tierheim, bevor sie ein neues Zuhause finden. Auch Kaninchen, Meerschweinchen, Vögel und Exoten wie ein Gecko, eine Königspython oder ein Goldfasan werden im Tierheim abgegeben. „Von Maus bis Pferd, Biber, Fuchs und Dachs, hatten wir schon alles.“ Andreas Reichardt öffnet einen Schrank, in dem sich zwei Schildkröten zum Winterschlaf zurückgezogen haben. Die beiden sind zwei der langjährigsten Bewohner im Heim. „Sie wurden Mitte der neunziger Jahre in einer Plastiktüte verpackt an einer Bushaltestelle gefunden“, erzählt der Tierheimleiter. Auch erschöpfte Brieftauben machten schon Station, bevor sie nach Hause flogen. Zum festen Bestand gehören auch Dörte und Fritz. Das Schaf und der Ziegenbock sind die Lieblinge der Kindergartenkinder und Schulklassen, die das Tierheim besuchen. Besonders zum Ende des Schuljahres können sich die fünf Mitarbeiter und zwei Azubis des Tierheims vor Anfragen kaum retten, wenn die Schüler während ihrer Haustier-Projektwoche „echte“ Tiere erleben wollen.
In der Hauptsache aber kümmert sich das Tierheim darum, dass die gefundenen oder abgegebenen Tiere möglichst schnell wieder ein neues, schönes Zuhause bekommen. Wer sich für ein Tier aus dem Heim entscheidet, sollte sich diesen Schritt genau überlegen. Andreas Reichardt schließt mit dem neuen Herrchen oder Frauchen einen Vertrag ab, der u. a. die artgerechte Haltung regelt. In einem Fragebogen müssen Interessenten außerdem Auskunft über ihre Wohnverhältnisse geben, wie viel Zeit sie für das Tier investieren können und welche Möglichkeiten der Unterbringung sie während des Urlaubs haben. In Zweifelsfällen erlaubt sich der Tierheimleiter auch eine Besichtigung vor Ort, um beispielsweise zu prüfen, ob der Gartenzaun für den temperamentvollen Hund tatsächlich hoch genug ist. „Man übernimmt damit auch eine Verantwortung, denn die Tiere, die einmal bei uns waren, sollen möglichst nicht wiederkommen“, sagt er. Deshalb sollen zukünftige Tierbesitzer auch persönlich im Heim erscheinen, sich mit dem erwählten Tier auseinandersetzen, beispielsweise den Hund spazieren führen und sich nicht einfach spontan entscheiden. „Und schon gar nicht nur aus purem Mitleid“, rät Reichardt. Die Tierheimmitarbeiter beraten Interessenten gern und informieren über alle Besonderheiten, die sie von den Tieren wissen. Der Rücklauf vermittelter Tiere ist sehr gering. Nicht bestätigen können die Tierheimmitarbeiter die Vermutung, dass nach Weihnachten oder in der Urlaubszeit besonders viele Tiere abgegeben oder - noch schlimmer - einfach ausgesetzt werden. „Das ist ein weit verbreitetes Klischee, doch die umfangreichen, regelmäßigen Appelle in den Medien haben offensichtlich dazu beigetragen, dass Tiere eben nicht als Geschenk unter dem Weihnachtsbaum landen und nach dem Fest bei uns entsorgt werden.“ Richtig sei, dass das Heim zu den Feiertagen oder in der Urlaubszeit voller ist als sonst. Die Ursache dafür sieht Andreas Reichardt aber eher darin, dass zu diesen Zeiten weniger vermittelt werde, aber natürlich täglich weitere Tiere dazukommen. Pro Tag nimmt das Tierheim zwischen zwei und zwölf neue Bewohner auf. Eine Woche vor Weihnachten wird gar nicht vermittelt, eben um auszuschließen, dass jemand sein Last-Minute-Geschenk aus dem Tierheim holt. (ks)
Tierheim
Tierheim Magdeburg, Rothenseer Str. 80, Tel.: 2537631
Öffnungszeiten:
Mo und Mi 9 – 12 Uhr
Di und Do 13 – 18 Uhr
Fr und Sa 9 – 12 Uhr
Tierrettungsdienst für dringende Notfälle sowie an Sonn- und Feiertagen
15.30 – 7.00 Uhr, Feuerwehr Tel. 54010
Ausführzeiten: Mo, Fr, Sa 10-12 Uhr
Di und Do 14-18 Uhr
Ab 16 Jahren darf man Hunde alleine ausführen. Vorher ist Gassi gehen nur mit erwachsener Begleitung möglich.
Warum ich Tiere nicht verschenken sollte:
- die meisten Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder Respekt vor allen Lebewesen haben, das geschieht aber nur dann, wenn die Kinder verstehen, dass Tiere vollwertige Familienmitglieder sind, die versorgt werden müssen und auch wenn der Satz abgedroschen ist: Tiere sind kein Spielzeug!
- der Aspekt, dass ein Geschenk eine Überraschung sein soll, macht es unmöglich, dass Tiere verschenkt werden, denn das Kind versteht den Unterschied zwischen einem Puppenhaus und einem lebendigen Lebewesen nicht - unüberlegte Anschaffung von Tieren aufgrund von hartnäckigem Drängen der Kinder gehen meistens nach hinten los, wenn Erwartungen unerfüllt bleiben, oder man merkt, dass Tiere wirklich Arbeit machen und echt Geld kosten
- Weihnachtsstress ist schon für uns Menschen unangenehm, wie mag es dann den Tieren gehen, die sich in dieser Zeit an ihr neues Zuhause gewöhnen sollen ?
- die Kinder und alle anderen Familienmitglieder brauchen die nötige Reife und das Verständnis was die Bedürfnisse der Tiere angeht, eine tolle Alternative sind lebensechte Spielzeugtiere, die es einem nicht übel nehmen, wenn das Interesse nachlässt