Foto: Kristin Plumbohm
Familie Albrecht mit ihren Pflegekindern
Pflegefamilien geben Kindern eine Chance auf ein behütetes Leben, wenn es die leiblichen Eltern nicht leisten können. Einfach ist diese Aufgabe nicht, aber sehr wichtig.
Celia hat zwei Väter. Einen Pflegevater und einen leiblichen Vater. Mit einem halben Jahr kam sie in eine Pflegefamilie. „Kurz nach Weihnachten klingelte damals das Telefon und zwei Stunden später hatten wir einen Säugling im Haus.“, erinnert sich Nicole Albrecht. Sie und ihr Mann konnten lange Zeit keine eigenen Kinder kriegen, deshalb haben sie sich für die Aufnahme von Pflegekindern entschieden und wie so oft kam dann unerwartet, kurz vor dem ersten Pflegekind, doch noch eine Schwangerschaft dazwischen. So ist ihr leiblicher Sohn nur ein Jahr älter als Pflegekind Celia. Für ihn ist die vierjährige wie eine Schwester.
Nicole Albrecht war sich immer sicher, dass sie ein Pflegekind so annehmen und lieben kann wie es ist, erzählt sie. Auch wenn sie mittlerweile zugeben muss, dass ein Pflegekind oft mehr Unterstützung und Förderung im Alltag braucht als zum Beispiel ihr leiblicher Sohn. „Durch die Vernachlässigung und den Konsum von Drogen und Alkohol passiert bereits in der Schwangerschaft ganz viel mit dem Kind, das kann man auch mit noch so viel Liebe nicht ausgleichen. Auch wenn ich das am Anfang nicht glauben wollte“, erklärt sie.
Foto: Kristin Plumbohm
Pflegeeltern
Maik Thenent, der leibliche Vater von Celia, möchte seine Tochter auf keinen Fall aus ihrem gewohnten Umfeld reißen und ist froh, dass sie nicht in einem Heim leben muss. „Am Anfang war es schwer, Celia wieder abzugeben. Ich weiß aber jetzt, ich sehe sie wieder und sie hat mich lieb.“, sagt er. Ihm ist es wichtig für ihre Zukunft, dass sie niemals auf die schiefe Bahn gerät und findet es toll, dass die Pflegeeltern immer mit seiner Tochter sprechen, wenn es Probleme gibt und nie auf Gewalt zurückgreifen. Die leibliche Mutter pflegt den Kontakt zu Celia seit Sommer 2015 nicht mehr und hätte das Kind mit einem halben Jahr fast verhungern lassen. Das Sorgerecht hat sie jedoch immer noch inne und muss in alle wichtigen Entscheidungen einbezogen werden. Das ist selbst für Maik Thenent schwer nachvollziehbar. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Celias leibliche Mutter ihr Kind irgendwann allein großziehen kann, ist verschwindend gering. „Celias Mutter hatte eine sehr schwierige Kindheit und wohnte mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter fünf Jahre lang in einem Frauenhaus. Ihr Vater stand vor Gericht, wegen Kindesmisshandlung.“, umreist Maik Thenent die Lebensgeschichte seiner Ex-Partnerin.
Entscheidet man sich als Familie für ein Pflegekind, muss man sich darauf einstellen, viele Menschen in sein Leben zu lassen. Und das beschränkt sich nicht nur auf die Eltern des Pflegekindes und ihre Geschichte. Regelmäßige Gespräche und Besuche vom Pflegekinderdienst gehören ebenfalls dazu. Dafür kommt das Amt für den Unterhalt so wie eine kleine Erziehungspauschale, die in Sachsen-Anhalt pro Kind bei 207 Euro im Monat liegt, auf. „Mich ärgert es immer, wenn Leute behaupten, dass die Kinder ja eh nur wegen dem Geld genommen werden. Das mag früher vielleicht in Einzelfällen so gewesen sein. Heute ist das gar nicht mehr möglich. Ich würde wesentlich mehr verdienen, wenn ich meiner Arbeit nachgehe.“, sagt Nicole Albrecht. Was sie antreibt, ist die Möglichkeit, einem Kind die Chance auf ein besseres Leben zu geben.
Denn Kinder, die selbst kein harmonisches Familienleben erlebt haben, können auch später nicht wissen, wie sie eines führen sollen. Das mündet im schlimmsten Fall in einer Endlosschleife. So steigt die Zahl der Eltern, die Hilfe brauchen, auch immer stärker an. Dies ist in den Angaben des Statistischen Landesamtes Sachsen Anhalt nachzulesen. Die Anzahl der Kinder, die in Magdeburg in Pflegefamilien kommen, gehen allerdings dem entgegenstehend zurück. Dieser Trend ist insbesondere auf das Landesverwaltungsamt bzw. Landesjugendamt zurückzuführen, die 2008 schlicht eine Reduzierung der Anzahl von Pflegekindern in Pflegefamilien empfohlen haben. Doch auch die Kinderheime, die dann die Auffangmöglichkeit für vernachlässigte Kinder sind, haben kaum noch Kapazitäten. So dass die Kinder im Notfall oft erst mal in eine andere Stadt geschickt werden müssen.
Aktuell betreuen 118 Pflegefamilien 165 Pflegekinder in der Landeshauptstadt. Familie Albrecht hat neben Celia auch noch einen kleinen Jungen bei sich aufgenommen und betreut vorübergehend auch immer wieder Kinder in Kurzzeitpflege. All das fordert von der Familie viel Organisationstalent und Toleranz gegenüber den Herkunftsfamilien ab. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die ganze Familie hinter der Entscheidung steht, ein Pflegekind aufzunehmen.
Kontakt: Pflegekinderdienst des Jugendamtes, 0391/6245133, pflegekinderdienst@jga.magdeburg.de
Foto: Kristin Plumbohm
Pflegeeltern
Möglichkeiten
Je nach Dauer und Perspektive der Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie gibt es verschiedene Formen:
Bereitschafts-/Kurzzeitpflege
Die Perspektive des Kindes ist ungeklärt. Entweder geht das Kind zur Herkunftsfamilie zurück, oder es wird in eine Vollzeitpflegefamilie, manchmal auch in ein Heim, vermittelt. Häufig sind die Kinder in einer Bereitschaftspflegefamilie „in Obhut“ genommen worden, weil es eine akute Krisensituation oder sogar eine Kindeswohlgefährdung in der Herkunftsfamilie gab. Die Unterbringung kann zu jeder Tages- und Nachtzeit nötig werden, sie kann ein paar Tage oder auch mehrere Wochen dauern manchmal auch mehrere Monate.
Zeitlich befristete Vollzeitpflege
Die Herkunftsfamilie ist für eine gewisse Zeit nicht in der Lage, das Kind weiter selbst zu erziehen, möchte es aber in absehbarer Zeit wieder selbst erziehen, betreuen und versorgen. Die leiblichen Eltern bleiben auch weiterhin die Hauptbezugspersonen für das Kind.
Dauerpflege
Von einer Dauerpflege spricht man, wenn Kinder, die für längere Zeit oder auch überhaupt nicht mehr bei ihren Eltern leben können. In der Pflegefamilie finden sie ein neues soziales Umfeld, in dem sie sich ihrem Alter entsprechend entwickeln können. Häufig haben Dauerpflegestellen eine familienersetzende Funktion – die Pflegefamilie bleibt der dauerhafte Lebensort des Kindes.