
Foto: Jens Leven bueffee GbR
Hol- und Bringzone
Ist es wirklich das sicherste, den Nachwuchs bei längeren Wegen mit dem Auto zur Schule zu bringen? Wir sprachen mit Thomas Stegelitz von der Landesverkehrswacht Sachsen-Anhalt über Elterntaxis und Unfallrisiken.
Viele Eltern haben große Angst, dass ihrem Kind auf dem Fußweg zur Schule etwas passiert. Wie ist mit der Angst umzugehen?
Diese Sorge ist natürlich nachvollziehbar, weil ein Unfall mit Beteiligung eines Kindes eines der denkbar tragischsten Ereignisse ist. Doch seit 2015 ist ein kontinuierlicher Rückgang der Schulwegunfälle mit Beteiligung von Kindern zu verzeichnen. Sachsen-Anhalt gehört laut Deutscher Gesetzlicher Unfallversicherung (DGUV) zu den Bundesländern mit den geringsten Schulwegunfallraten.
Ist die Fahrt mit dem Auto nicht am sicherersten?
Nein, denn das Auto gehört zu den risikoreichsten Verkehrsmitteln im Kontext Schulweg. In Betrachtung aller Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Kindern verunglückten die meisten Kinder als Mitfahrer im PKW, am zweithäufigsten verunglücken Kinder in Sachsen-Anhalt mit dem Fahrrad. Das sicherste Verkehrsmittel ist der Bus oder die Bahn.
Warum sollte das Kind lieber selbst zur Schule gehen oder fahren?
Begriffe wie Helikoptereltern und Generation Rücksitz sind mittlerweile weit verbreitet. Tatsache ist, dass insbesondere aus entwicklungspsychologischer Perspektive die eigenständige Bewältigung des Schulweges wichtig für die Selbstständigkeit des Kindes ist. Sie lernen ihre räumliche Umgebung kennen und das sichere Bewegen in dieser. Auch erleben und teilen sie auf dem Schulweg soziale Erfahrungen, in dem sie den Schulweg mit anderen Schülern zurücklegen. Die negativen Folgender Bequemlichkeit sind auch wissenschaftlich erwiesen. Laut Unfallforschung sind vor allem bei Stadtkindern, Mädchen mit Migrationshintergrund, übergewichtigen und überbehüteten Kinder psychomotorische Defizite nachweisbar.
Was, wenn auf das Auto zurückgegriffen werden muss, weil die Schule zu weit weg ist?
Eine Möglichkeit wäre es zu prüfen, ob der Schulweg mit dem öffentlichen Verkehrsmitteln (ÖPNV) zurückzulegen ist. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass das Kind alt genug, sicher und eigenständig ist, um den Schulweg allein zurückzulegen. Hier empfiehlt es sich - auch für das eigene Sicherheitsgefühl als Elternteil - zu Beginn den Schulweg gemeinsam zurückzulegen. Vielleicht liegt der Arbeitsweg ja auf der gleichen Strecke. So ließe sich im Idealfall auch der morgendliche Staustress im PKW vermeiden.
Was müssen Kinder können, um sicher allein zu Fuß zur Schule zu kommen? Was ist zu beachten?
Das Kind muss seinen Schulweg und Verkehrszeichen kennen und Verkehrsregeln sicher beherrschen. Das setzt voraus, dass der kürzeste und sicherste Schulweg vielfach gemeinsam mit den Eltern bewältigt wurde, im Idealfall auch mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln, um dem Kind auch den Perspektivwechsel unterschiedlicher Fortbewegungsarten zu ermöglichen. Gerade in der dunklen Jahreszeit sollte sehr viel Wert auf Sichtbarkeit gelegt werden. Retroflektierende Kleidung sind dann genauso ein Muss wie funktionierende und helle Beleuchtung am Fahrrad.
Morgens bleibt oft nicht genug Zeit, um das Kind zu Fuß zur Schule zu bringen. Gibt es Alternativen?
Das Üben des Schulweges und das Erlernen einer Routine sollte in einer stressfreien Atmosphäre erfolgen. Daher ist ggf. zu prüfen, ob ein etwas früheres Aufstehen eine Möglichkeit ist, um Zeit zu gewinnen. Ist dies nicht möglich, wäre das Fahren mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV eine Option. Aber natürlich gibt es auch kein absolutes Verbot für das Auto.
In Barleben startet zum Thema Elterntaxi gerade ein Pilotprojekt, um das Unfallrisiko zu minimieren. Was genau ist geplant?
Bisher wurden vor allem Daten zu den Verkehrsströmen erhoben. Hierbei wurde deutlich, dass der Schulstandort Barleben vom PKW-Verkehr im Kontext Schulweg besonders belastet ist. Bis zu 76% aller Schüler werden mit dem Auto zu den Schulen gebracht. Diese Quoten sind im Bundesvergleich einzigartig. In einem zweiten Schritt wurden daher 17 potentielle Hol- und Bringezonen identifiziert, in denen Eltern ihre Kinder aussteigen lassen können. Die Parkflächen liegen in einem Umkreis von ca. 300 bis 400 Meter. Die Kinder sind dann angehalten, den Rest ihres Schulweges eigenständig zu meistern. Um den sichersten Weg zu markieren, werden gemeinsam mit den Schulkindern Markierungen auf den Weg aufgetragen. Die Schüler werden so von Anfang an in das Projekt eingebunden.
Was Erwachsene wissen sollten:
Kinder sind zu klein, um über parkende Autos hinwegsehen zu können. Sie müssen sich zwischen die Autos stellen, um die Fahrbahn einzusehen.
Kinder haben ein eingeschränktes Gesichtsfeld. Sie sehen Autos, die von der Seite kommen, erst später als Erwachsene.
Kinder machen kleinere Schritte und brauchen viel länger als Erwachsene, um eine Straße zu überqueren.
Kinder gehen bis zum 7. Lebensjahr davon aus, dass Autofahrer sie immer sehen, wenn sie selbst das Auto sehen können.
Kinder können Entfernungen und die Geschwindigkeit von Autos oft nicht richtig einschätzen.
Kinder lassen sich sehr leicht ablenken und achten dann nicht mehr auf den Verkehr.
Quelle: www.zu-fuss-zur-schule.de

www.zu-fuss-zur-schule.de
Aktionstag Zu Fuß zur Schule und in die Kita
Seminar zum Thema Elterntaxi
Wie man das Elterntaxi-Problem wirksam löst. Moderne Schulwegplanung: Hol- und Bringzonen und „Verkehrszähmer“, geeignet für Pädagogen und Schulträger.
11.9., 9-15.30 Uhr, IHK Magdeburg
Aktionstage: Zu Fuß zur Schule und in die Kita
Seit 1994 werden in Deutschland Zu-Fuß-zur-Schule-Aktivitäten durchgeführt, seit 2000 gibt es den jährlichen internationalen „I walk to school“-Tag. Kinder werden dabei aufgefordert zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Roller zur Schule zu kommen. Auch die Großen sollen mitmachen und das Auto stehen lassen. Schulen und Kindergärten können mit eigenen Aktionen teilnehmen und sich online registrieren. Nach der Registrierung können sie ihre Aktion eintragen sowie Material und Unterstützung erhalten. Alle bis zum 31. August 2018 online eingetragenen Aktionen haben die Chance Spielsets zu gewinnen.
17.9.-28.9., Aktionstage „Zu Fuß zur Schule“, www.zu-fuss-zur-schule.de
Europäische Mobilitätswoche
Das Motto der diesjährigen Aktionswoche lautet: Es wird multimodal. Dabei geht es sowohl um die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel für verschiedene Wege als auch darum, mehrere Verkehrsmittel für einen Weg zu kombinieren. Entscheidend bei der Europäischen Mobilitätswoche ist, sich für nachhaltige Mobilität einsetzen zu wollen. So werden beispielsweise Parkplätze und Straßenraum umgenutzt, Elektro-Fahrzeuge getestet, Schulwettbewerbe ins Leben gerufen und Aktionen für mehr Klimaschutz im Verkehr durchgeführt. Die MVB plant zum Beispiel fünf Euro Rabatt beim Kauf einer Wochenkarte, außerdem ist eine Lastenrad-Ausstellung sowie ein -Curso geplant und der Parking Day wird wieder stattfinden. BUND?
16.-22.9., Europäische Mobilitätswoche